Als im Jahr 1622 Neumarkt erstmals einen eigenen Priester bekam und sich von der Mutterpfarre Köstendorf abzunabeln begann, musste ein kleines Haus für Vikar Johann Härlin in der Nähe der Nikolaikirche erbaut werden. Dieses kirchliche Gebäude stand aber nur fünf Jahre, denn 1627 begann der Bau der Kirchhofbefestigung mit dem Schanzwall, dem das Vikarshaus weichen musste. Da bot sich das Haus Nr. 55 (heute Kirchenstraße 3) als Domizil für den Neumarkter Priester an. Es war ein stattliches Barockgebäude und gehörte dem hochfürstlichen „Umgelter“ Johann Jakob Emser, der als Steuereintreiber in erzbischöflichen Diensten stand.
Erzbischof Paris Lodron erwarb das Gebäude und stellte es dem Neumarkter Vikar zur Verfügung. Lorenz Hübner beschrieb 1796 das Gebäude „Das Haus des Vikars, 2 Geschosse hoch, und sehr bequem, mit einem rückwärts angelegten Gärtchen“. Zwei Anrainer, der Wirt Thomas Adler (1644) und die Erben nach dem Marktrichter Sebastian Eisenhut (1671), hatten das hinter dem Vikariatshaus liegende „Landl“ abgetreten, wodurch das Vikariat ein Grundstück im Ausmaß von 4100 Quadratmetern besaß. 1858 wurde das Vikariatshaus renoviert, und ein Jahr später, als 1859 Neumarkt zur selbstständigen Pfarre erhoben wurde, kam es zur Errichtung des Pfarramts; das Vikariatshaus war nun zum Pfarrhof geworden.
Hundert Jahre später war das Pfarrhaus in einem schlechten baulichen Zustand, und man musste sich dazu entschließen, das historische Gebäude im Jahr 1965 abzutragen. In der Zwischenzeit war als Ausweichquartier das Haus Kirchenstraße 6 angekauft worden. Das Provisorium und damit die Baulücke neben der Johann-Aigner-Volksschule dauerten aber 27 Jahre, denn erst im Jahr 1992 entstand nach den Plänen des Villacher Architekten Dipl.-Ing. Gernot Kulterer ein Pfarrhof, wie er den modernen Anforderungen entspricht.
Das Bauwerk ist aber nicht nur zweckmäßig, es weist auch eine gefällige Architektur auf. Prägende Architekturdetails sind die Eckfenster und Erker sowie die einheitliche weiß-hellgraue Farbgebung. Kulterer, der sich in der Erzdiözese Salzburg mit dem Pfarrhof in St.Johann im Pongau und mit der St.-Konrad-Kirche in Abersee einen Namen gemacht hat, zählt zu den führenden Architekten Österreichs. Die feierliche Einweihung des neuen Pfarrhofes nahm Weihbischof Jakob Mayr vor, und zwar am 6. Dezember 1992, am Tag des Pfarrpatrons, des heiligen Nikolaus.
Der Pfarrhof dient neben seiner Funktion als Wohn- und Arbeitsort für unseren Pfarrer als Pfarrzentrum, als Veranstaltungs- und Beratungsort für verschiedenste pfarrliche Gruppierungen.
Die Leitidee bei der Gestaltung des neuen Zentrums war es, kein kirchliches Monument, sondern einen Treffpunkt und Begegnungsort zu schaffen, der Kommunikation, Sakramentenvorbereitung und geistliche Begleitung ermöglicht.
Der Pfarrhof verfügt über moderne Büro- und Besprechungsräume für das Pfarramt und die Kirchenbeitragsstelle. Aber nicht nur als administrativer Mittelpunkt, sondern auch als Begegnungsstätte für das Pfarrcafé, die Jungschar, die Jugendgruppen, die Seniorennachmittage, als Probelokal für den Kirchenchor und anderen kirchlichen Gruppen hat der Pfarrhof eine große Bedeutung für das Leben der Pfarre. Der Pfarrsaal verfügt bei Reihenbestuhlung über eine Kapazität von 60 Personen, als Mehrzweckraum lässt er sich vielseitig verwenden, die Möblierung kann rasch verändert und dem jeweiligen Veranstaltungszweck angepasst werden. Hier findet auch wertorientierte Erwachsenenbildung statt. Für den Pfarrgemeinderat steht ein günstiger Sitzungsraum zur Verfügung, den zwei Ölbilder schmücken. Sie stellen den bedeutendsten Neumarkter Handelsherrn Johann Gottfried Poschinger und seine Frau Maria Katharina Poschinger dar und stammen aus dem Jahr 1762. Der neue Pfarrhof ist ästhetisch und funktionell, und die Räumlichkeiten werden von den Pfarrangehörigen intensiv genutzt.
Quelle: Raststätte. Auf dem Weg mit Christus (2009). Eigenverlag des PGR Neumarkt am Wallersee